Baugeschichte der Hippolytkirche Ottmarsheim

Die evangelische Pfarrkirche in Ottmarsheim ist dem Hippolyt geweiht. Da Hippolytkirchen zu den ältesten Kirchen der alemannisch-fränkischen Altsiedellandschaft zählen, nimmt man an, dass auch in Ottmarsheim um 800 herum eine erste Holzkirche gebaut wurde. Im Mittelalter entstand an gleicher Stelle wohl ein Steinbau, der nach und nach vergrößert wurde. Der heutige Bau hat das Endstadium der mittelalterlichen Entwicklung äußerlich nahezu unberührt überstanden. Der spätgotische Bau lässt sich genau datieren. Über dem nördlichen Turmeingang befindet sich eine Steintafel mit der eingemeißelten Jahreszahl 1502. Der obere Teil des Turmes wurde 1674 erneuert.
Um 1750 wurde im Zuge einer Restaurierung das vorher spät­gotische Kirchenschiff im Rokokostil umgearbeitet. 1845 wurde die Orgel angeschafft.
1878-82 wurde wegen Schadhaftigkeit der Decke eine voll­ständige Restaurierung nötig. Im Zuge weiterer Ausschmü­ckungen wurde der Innenraum teilweise neugotisch gestaltet. 1981 fand die bisher letzte große Restaurierung des Innenrau­mes statt.

Namensgebung Sankt Hippolyt

Bereits die erste Kirche um 800 war wohl dem Heiligen Hippolyt geweiht. Nach der Überlieferung war er ein römi­scher Offizier, der den Christen Laurentius im Gefängnis zu bewachen hatte. Er wurde von ihm zum christlichen Glauben bekehrt. Weil Hippolyt die Leichen von Märtyrern begrub, wurde er – wie auch Laurentius – hingerichtet und starb 258 als Märtyrer. Im 8. Jahrhundert bekam Abt Fulrad von St. Denis die Leiber der beiden Heiligen Alexander und Hippolyt als Geschenk von Papst Leo III. und die von ihm ausgesandten westfränkischen Missionare weihten daher die Kirche in Ottmarsheim dem Hippolyt.
Den wichtigsten Beweis für Hippolyt als Kirchenpatron liefert ein im 16. Jahrhundert erstelltes Verzeichnis der Wallfahrten, die einst im Fürstentum Württemberg stattfanden. Hierin sind Wallfahrten zu „Sankt Peltin“ an seinem Jahrestag (13. August) in der Pfarrkirche zu Ottmarsheim bezeugt (nebst einem Jahrmarkt).

Das Äußere der Hippolytkirche Ottmarsheim

Der Gesamteindruck der Ottmarsheimer Kirche blieb seit mehr als vierhundert Jahren nahezu unverändert. Sie bildet das Kernstück einer fast burgähnlichen Anlage: Im Süden der Kirche liegt der Friedhof, der auf drei Seiten von einer Mauer umgeben ist. Vor der Kirche, auf der Nordseite, befindet sich ein Vorplatz, auf dem auch das alte Schulhaus -jetzt evange­lisches Gemeindehaus – steht. Zu diesem Platz führt eine hohe Steintreppe, die bis in die neueste Zeit einziger Zugang zu Kirche, Friedhof und Schule war. Der First des spätgotischen Chores überragt den First des Schiffes recht deutlich. An die Südwand des Chores lehnt sich die Sakristei mit ihrem Pultdach an. Mit dem Fehlen eines ortsansässigen Geschlechts und damit einer Burg ist es wohl zu erklären, dass die Kirche wehrhaft befestigt wurde, um in Kriegszeiten den Bauern eine Zuflucht zu bieten.

Der Turm

Gewölbe im Glockentor Foto Gerhard Zeller001

Gewölbe im Glockentor (Foto Gerhard Zeller)

Der mächtige in Quadertechnik erbaute Turm, dessen vier Geschosse durch Gesimse abgeteilt sind, befindet sich auf der Westseite der Kirche. Die offene Vorhalle im Untergeschoss des Turmes, das „Glockentor“, durch das man auch zum Friedhof gelangt, ist mit einem spätgotischen Netzgewölbe versehen, das mit Malereien verziert ist. Nord- und Südwand haben zwei spitzbogige Durchgänge in den 1,80 m starken Mauern. Das mit Steinmetzarbeiten verzierte Portal an der Ostseite führt ins Innere der Kirche. Dieser untere Teil des Turmes ist der älteste Teil der Kirche.
Die beiden mittleren Geschosse haben schmale schieß­schartenartige Fenster. Das Glockengeschoss dagegen ist auf allen vier Seiten mit großen Spitzbogenfenstern versehen, deren Maßwerke gotische Ornamente zeigen. Seinen spitzen Turmhelm, der vom Viereck ins Achteck übergeht, erhielt der Turm im 17. Jahrhundert. Auf seiner Spitze dreht sich ein gewappneter Wimpelträger als Wetterfahne. Vermutlich ist es der Kirchenheilige Hippolyt selbst, der oft als Ritter mit Lanze dargestellt wird.
An der Südseite ist ein hölzerner gedeckter Treppenaufgang angebaut, der zu der im zweiten Geschoss gelegenen Turmtüre führt.

Das Kirchenschiff der Hippolytkirche

Das Kirchenschiff hatte ursprünglich eine flache Holzdecke, wie die Gesimse innen über dem Chorbogen und der Orgelem­pore zeigen. Beim Umbau um 1750 wurde diese Decke durch ein Tonnengewölbe mit Stichkappen über den Fenstern verse­hen. Vier hohe Spitzbogenfenster, deren Maßwerk später ent­fernt wurde, erhellen den Raum. Dazu kommen noch je zwei vom Umbau des 18. Jahrhunderts herrührende, übereinander liegende kleine Fenster im Bereich der Orgelempore. Die Türe zum Kirchplatz ist schon im Stile des Rokoko umgestaltet.

Der Chor

Fischblasenmaßwerk am nrdöstlichen Chorfenster Foto Gerhard Zeller001

Fischblasenmaßwerk am nordöstlichen Chorfenster (Foto Gerhard Zeller)

Um 1500 wurde an das Schiff ein für eine Dorfkirche auffal­lend großartig angelegter spätgotischer Chor mit Dreiseiten­abschluss angebaut. Fünf durch Gesimse gegliederte Strebe­pfeiler umstehen außen den im halben Achteck abschlie­ßenden Chorbau und stützen das imposante Netzgewölbe im Inneren. Vier große dreiteilige Fenster mit Fischblasenmaß­werk geben diesem Teil der Kirche viel Licht.

Das Innere der Hippolytkirche

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Das Kircheninnere mit Blick nach Westen

Das Kirchenschiff
Die Rokokoausstattung des Schiffes fällt in die letzten Jahre vor 1750. Der Stuttgarter Hof-(G)Ipser Johann Friedrich Paul und sein Obergeselle Franz Carl Clostermayer schufen die reich verzierten Stuckarbeiten mit Füllhörnern, Früchten, Blumen, Muscheln und anderen Rokoko-Ornamenten, Aus dieser Zeit stammt auch die dreiteilige Orgelempore, die ebenfalls mit Stuckornamenten versehen ist. Auf die Brüstung der elegant geschwungenen und von zierlichen Säulen getra­genen Empore hat Johann Daniel Haug fünf Bilder gemalt, die religiöse Themen im Stile der Antike mit Anklängen an das Rokoko zeigen. Es ist je eine alt- und eine neutestamentliche Szene in Gegenüberstellung dargestellt. Auf der Südseite: ,Die Gesetzgebung auf dem Berg Sinai‘ und ,Das Jüngste Gericht‘, auf der Nordseite:

 

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Die Mannalese in der Wüste (Foto Gerhard Zeller)

Die Mannalese in der Wüste‘ und ,Die Speisung der Fünftausend‘. Das Bild vor der Orgel zeigt ,Die Einholung der Bundeslade nach Jerusalem durch König David‘.
Bei der Restauration 1981 konnte Restaurator Norbert Malek am Tonnengewölbe sechs in Stuckmedaillons gerahmte Fresken freilegen und wieder herstellen. Das mittlere auf der Südseite zeigt die Kirche selbst, die anderen stellen wohl idealisierte Landschaften dar.
Von den ursprünglichen Deckengemälden ist nichts mehr vor­handen, nachdem 1880 die Decke erneuert werden musste und dabei nur die Rahmen der Bilder wieder hergestellt wurden. Die Orgel ist eine der wenigen im Original erhaltenen Instrumente aus der Frühzeit der Kegellade. Sie wurde 1845 von dem Orgelbauer Walcker aus Ludwigsburg zum Preis von 1398 Gulden gebaut. Der klassizistische Prospekt fügt sich gut in die Gesamtansicht des Kirchenschiffes ein.

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Fresko-Medaillon mit der Hippolyt-Kirche (Foto Schäfer)

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Einholung der Bundeslade

 

 

 

 

 

 

 

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Württembergisches Wappen und Medaillons zur Renauvierung 1817

Der Chor
Chor und Schiff sind durch einen schlanken Chorbogen getrennt. Über dem Bogen befindet sich das württembergische Wappen, wie es zur Zeit Eberhard Ludwigs gültig war. Um das Herzschild ,Württemberg‘ mit den Hirschstangen grup­pieren sich: die Reichssturmfahne (Ludwigsburg), die Rauten von Teck, die Barben von Mömpelgard und der Heide von Heidenheim. Als Helmzieren sieht man darüber: Den Adler der Reichssturmfahne, das Hifthorn von Württemberg, das Fischweiblein von Mömpelgard, die Bracke von Teck und den Heiden von Heidenheim.
Links und rechts des Wappens wurden zwei von Girlanden umrahmte Medaillons mit Inschriften restauriert. Sie stammen aus dem Jahr 1817. Die Inschrift links lautet: „Dreihundert Jahre ist es nun, daß Deutschlands Reformation / durch Doctor Luther angefangen / und seidher glücklich fortgegangen, diß freun wir uns zu dieser Zeit / und danken Gott in Ewigkeit.“ Rechts heißt es: „Diese Kirche wurde renoviert auf das Reformationsfest den 31. October“ (gemeint ist 1817).

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Netzgewölbe im Chor

Das Netzgewölbe des Chores ist farbig gefasst und die Rippen verschwinden in den Wänden.
Die Fenster mit Pflanzenornamenten wurden 1881 im Zuge einer neugotischen Umgestaltung durch den Stuttgarter Baurat Heinrich Dolmetsch geschaffen. Ebenso entwarf er das Chorgestühl mit umlaufenden, auf der Rückseite getäfelten Chorsitzen, die Kanzel mit ihren reichen Schnitzarbeiten, den Altar und den Taufstein. Der Verbleib der ursptünglichen Rokokokanzel ist nicht geklärt.
Die Sakristei, den ältesten Teil der Kirche (um 1400) betritt man durch eine spätgotische Pforte. Das Kreuzgewölbe im Inneren trägt als Schlussstein ein bislang nicht identifiziertes Meisterschild. Die Rippen des Gewölbes ruhen auf mit Fratzen verzierten Konsolen.

In über fünfhundert Jahren haben die Menschen in Ottmars­heim ihre Kirche immer wieder ihren Bedürfnissen und Vorstellungen angepasst. Sie ist ein Bauwerk von Menschenhand, in dem so gegensätzliche Stile wie Spätgotik und Rokoko auf überraschende und reizvolle Weise nebenein­ander bestehen, aber sie ist vor allem ein Ort, wo die Gemeinde zusammenfindet, um Gott nahe zu sein, um mit ihm zu sprechen, auf ihn zu hören – im Gebet, im Wort der Bibel, im Abendmahl, in Liedern und Musik. Sie ist ein Ort, wo seit Generationen Menschen gesegnet werden bei der Taufe, bei der Konfirmation, bei der Eheschließung und auch beim letz­ten Gang, hinaus auf den Friedhof hinter der Kirche. Sie ist ein Ort zur Ehre Gottes.

Text und Bilder aus der Broschüre „Hippolytkirche“ Ottmarsheim

Herausgeber:    Evangelische Kirchengemeinde Ottmarsheim
Schulstraße 3, 74354 Besigheim

Textzusammen­ stellung:
Heinrich Türck

Bilder:
Gerhard Zeller;
Foto-Schäfer, Besigheim